Bandscheibenvorfälle der Lendenwirbelsäule
Die Lendenwirbelsäule ist zehnmal häufiger von klinisch relevanten Bandscheibenvorfällen betroffen als die Halswirbelsäule. Während die Halswirbelsäule nur den Kopf trägt, lastet hingegen auf der Lendenwirbelsäule zusätzlich das Gewicht der Arme und des Rumpfes. In der Regel sind degenerative Prozesse die Ursache am Einreißen des Faserringes der Bandscheibe, das ein Austreten des gallertartigen Kerns ermöglicht. Prinzipiell ist ein Austreten des Bandscheibeninhaltes in alle Richtungen möglich. Schmerzen und neurologische Beeinträchtigungen entstehen aber nur dann, wenn Nervenstrukturen bedrängt werden. Das heißt, dass medizinisch bedeutende Vorfälle immer nach hinten, also zum Rücken hin, reichen.
Der Druck auf die Nervenwurzeln führt zu Schmerzen, die in die Beine ziehen. Mit zunehmender Kompression treten Gefühlsstörungen und eine Schwäche auf, die sich bis zu einer vollständigen Lähmung der von dieser Nervenwurzel versorgten Muskelgruppe steigern kann.
Lumbaler Bandscheibenvorfall dorsomedian
Kleine mittig in den Wirbelkanal ausgetretene Vorfälle, die an den Duralsack heranreichen und die Nervenwurzel aussparen, sind in der Regel klinisch stumm. In Abhängigkeit vom individuellen Durchmesser des Wirbelkanals können größere Bandscheibenvorfälle allerdings Beschwerden eines zu engen Wirbelkanals hervorrufen und damit zu belastungsabhängigen Schmerzen in beiden Beinen führen.
Große und akut auftretende Bandscheibenvorfälle können alle Nervenwurzeln bedrängen. Je nach Ausmaß reichen die Symptome über eine Beinschwäche bis zum Vollbild einer Querschnittlähmung mit Beeinträchtigung der Harn- und Stuhlkontinenz.
Eine in diesem Zusammenhang akut aufgetretene Stuhl- oder Harninkontinenz stellt einen neurochirurgischen Notfall dar, der idealerweise binnen 12 Stunden operativ versorgt sein soll.
Die Operation wird unter Bandscheibenoperation – Zugang über die Mitte beschrieben.
Lumbaler Bandscheibenvorfall paramedian rechts oder links
Diese Vorfälle können zwar bis zur Mitte reichen, betreffen aber eine Seite bevorzugt.
Die häufigste Ausdehnung ist auf Höhe des Bandscheibenfachs mit einer je nach Größe weiteren Ausdehnung fußwärts.
Seltener reichen Vorfälle nach oben, also kopfwärts. Diese können durchaus nur geringe Beschwerden hervorrufen, sofern sie sich zwischen zwei Nervenwurzeln befinden. Meist ist jedoch die obere und/oder die untere Nervenwurzel im Abgangsbereich betroffen.
Die Operation wird unter Bandscheibenoperation – Zugang über die Mitte beschrieben.
Lumbaler Bandscheibenvorfall seitlich im Wurzelkanal
Diese Bandscheibenvorfälle führen zu einer Bedrängung der oberen Nervenwurzel. Selbst kleine Vorfälle verursachen heftige Schmerzen und führen rasch zu einer Schwäche. Bei der Operation müssen Teile des kleinen Wirbelgelenks entfernt werden, da sich der Vorfall genau darunter befindet. In Abhängigkeit von der Konsistenz und Ausdehnung des Vorfalls kann manchmal auch kein Gelenkserhalt gelingen. In solchen Fällen ist eine tägliche Rückengymnastik für den Erhalt der segmentalen Stabilität enorm wichtig.
Die Operation wird unter Bandscheibenoperation – seitlicher Zugang beschrieben.
Lumbaler Bandscheibenvorfall seitlich im und außerhalb des Wurzelkanals
Ähnlich wie bei Bandscheibenvorfällen im Wurzelkanal ist die obere Nervenwurzel bedrängt und es werden die gleichen Beschwerden hervorgerufen wie beim Bandscheibenvorfall seitlich im Wurzelkanal. Von der chirurgischen Seite liegt der Unterschied in einem Zugangsweg, der außerhalb des Wirbelkanals liegt. Bevorzugt kommen auch hier minimalinvasive und muskelschonende Techniken zur Anwendung.
Die Operation wird unter Bandscheibenoperation – Zugang über die Mitte beschrieben.
Wirbelkanalengen der Lendenwirbelsäule
Die Schlüsselfrage bei Wirbelkanalverengungen der Lendenwirbelsäule ist die nach der Stabilität: Liegt der Verengung ein Gleitwirbel zugrunde oder ist die Verengung einfach nur ein Ergebnis degenerativer Prozesse ohne vermehrter Beweglichkeit zwischen zweier Wirbel.
Im Rahmen von Alterungsprozessen kommt es einer anfänglichen Gefügelockerung, die in weiterer Folge zu einer Verdickung des Gelben Bandes und Vergrößerung der kleinen Wirbelgelenke führt. Dadurch verjüngt sich der Kanal sukzessive über die nächsten Jahre und ruft typische belastungsabhängige Schmerzen und Gefühlsstörungen in beiden Beinen hervor. Die Gehstrecke wird dadurch zunehmend reduziert. Sobald die Schmerzen auftreten, wird eine Pause gemacht und eine Schonhaltung eingenommen. Im Rahmen des Vornüberbeugens werden die hinteren Bänder gespannt und es kommt zu einer kurzfristigen Erweiterung des Wirbelkanals. Beim Fortschreiten der Erkrankung wird die Gehstrecke immer kürzer und es entsteht das Bild der Schaufenstererkrankung mit einer Limitation der Gehstrecke auf Zimmerlänge. Davon zu unterscheiden sind Gefäßerkrankungen, die ebenso belastungsabhängige Beinbeschwerden hervorrufen.
Bei stabilen Verhältnissen kommen die verschiedenen Techniken der Dekompression der Lendenwirbelsäule zur Anwendung.
Wurzelkanalengen der Lendenwirbelsäule
Verengte Wurzelkanäle der Lendenwirbelsäule sind in der Regel durch vergrößerte Wirbelgelenke bedingt und rufen eine isolierte Wurzelklinik hervor. Nachdem chronische Umbauprozesse zu diesem Krankheitsbild geführt haben, sind akute Lähmungserscheinungen bzw. Muskelschwächen die Ausnahme. Typisch sind belastungsabhängige Schmerzen, Gefühlsstörungen und Muskelschwächen. Diese Beschwerden klingen nach einer Pause wieder ab.
Der Zugang wird in Abhängigkeit von begleitenden degenerativen Veränderungen bestimmt und entspricht der Dekompression der Lendenwirbelsäule.
Gleitwirbel der Lendenwirbelsäule
Unterschieden werden die selten angeborenen Formen von den erworbenen. Am häufigsten entstehen Gleitwirbel im Rahmen von Degenerationsprozessen gefolgt von vorangegangenen Wirbelsäuleneingriffen, Unfällen und Knochenerkrankungen.
Gleitwirbel, die allein auf eine Degeneration zurückzuführen sind, besitzen in der Regel ein geringeres Ausmaß an Verschiebung als angeborene oder traumatische Formen.
Die typische Stufenbildung, bei der der obere Wirbel zum unteren nach vorne versetzt ist, führt mit zunehmendem Versatz bereits zu einer Verengung des Wirbelkanals. Weitere gleichzeitig ablaufende degenerative Vorgänge üben über eine Vergrößerung der Wirbelgelenke und Bandverdickung eine weitere Bedrängung auf das Nervenwurzelbündel aus.
Je nachdem welche Strukturen mehr von der Degeneration betroffen sind, imponiert der Gleitwirbel als Osteochondrose mit oder ohne Knochenödem, Stufenbildung, bewegungsabhängiger Stufenbildung, Spondylarthrose, Vertebrostenose oder aus unterschiedlichen Kombinationen selbiger.
Die Beschwerdeklinik wird einerseits bestimmt von der Wirbelkanalverengung und andererseits von den Gleitbewegungen, denen auch ein Aufklappen in Längsrichtung der Wirbelsäule hinzugerechnet wird.
Während eine Dekompression des Wirbelkanals bei stabilen Wirbelkanalverengungen ausreicht, ist eine zusätzliche Stabilisierung bei Gleitwirbeln unerlässlich.
Wirbeleinbrüche
Wirbeleinbrüche ohne adäquate Verletzungsmechanismen bzw. Gewalteinwirkung werden den pathologischen Knochenbrüchen zugeordnet. Hauptursachen für Wirbeleinbrüche sind die Osteoporose und Knochentumore, die die Festigkeit des Knochens herabsetzen. Der Knochen sintert dort zusammen, wo die Last in Längsrichtung der Wirbelsäule am größten ist. Als Folge entstehen typische Keilwirbel, wenn die Vorderkante bricht, oder Fischwirbel, wenn Vorder- und Hinterkante gebrochen sind. Die untere Brust- und obere Lendenwirbelsäule sind am häufigsten betroffen. Als Richtwert für die Dauer einer osteoporosebedingten Knochenheilung können 12 Wochen angenommen werde. Während dieser Zeit sollte es zu einer kontinuierlichen Schmerzreduktion kommen. Rheumaerkrankungen verzögern einerseits durch die chronischen Entzündungen selbst und andererseits durch die Rheumamedikation die Knochenheilung.
Von der Vorstellung her entspricht ein von Knochenschwund geschwächter Wirbelkörper einem Blumenschwamm, der unter Druck solange zusammengepresst wird, bis die verdichtete Knochensubstanz dem Druck wiederum standhält. Ein spontanes Wiederaufrichten eines Keil- oder Fischwirbels ist daher nicht mehr möglich. Dies erklärt auch eine Befundverschlechterung im Verlauf der ersten Wochen nach stattgehabtem Wirbeleinbruch.
Eine ausgeprägte Keilbildung führt zu einem Knick in der Wirbelsäule mit zunehmenden Druckspitzen im vorderen Wirbelkörperbereich und Ausbildung eines Rundrückens.
Lähmungserscheinungen und Gefühlsstörungen können auftreten, wenn Knochenteile in den Wirbelkanal hineinragen und so auf das Rückenmark oder die Nervenwurzeln drücken.
Tumorbedingte Wirbelbrüche unterliegen gewöhnlich keiner Spontanheilung.
Als operative Verfahren kommen eine Zementauffüllung des Wirbelkörpers (Vertebroplastie), eine Dorsale Spondylodese mit oder ohne knöcherne Dekompression (Laminektomie) oder ein Wirbelkörperersatz in Frage.